Die Ökologische Landwirtschaft entwickelte sich in Deutschland in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts als Gegenbewegung zu einer zunehmend industrialisierten Landwirtschaft. Durch neue technische Möglichkeiten, Stickstoff synthetisch herzustellen, wurden enorm gesteigerte Erträge erwirtschaftet (siehe Haber-Bosch-Verfahren), parallel stieg aber auch der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln an.
1996 waren 1,3% der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland biozertifiziert, heute sind es 10,7% mit einem Flächenanteil von 8,2% der gesamtdeutschen landwirtschaftlichen Nutzfläche. Im Jahr 2017 stellten täglich fünf Betriebe auf ökologischen Landbau um. Gerade aufgrund dieser enormen Steigerung werden Fragen zu den Grundprinzipien des Ökologischen Landbaus und deren Umsetzbarkeit stärker denn je diskutiert.
Im Workshop am vergangenen Wochenende haben wir versucht, vier Grundbegriffe der Ökologischen Landwirtschaft zu definieren und differenziert darzustellen. Wichtig ist uns hierbei zu zeigen, dass die Bewegung sehr dynamisch ist und oft farbenfroh und nicht schwarz/weiß. Auf Wunsch der Workshopteilnehmer findest du am Ende dieser Nachlese noch Links zu den Themen, die angesprochen wurden.
Kreislaufwirtschaft
Ein wesentlicher Grundgedanke der ökologischen Landwirtschaft ist der Anspruch möglichst in geschlossenen Kreisläufen zu wirtschaften. Dabei hat ein geschlossener Nährstoffkreislauf im Produktionssystem einen hohen Stellenwert:
Stickstoff welcher von den Flächen getragen wird, sollte möglichst in gleicher Menge aus dem eigenen Betrieb wieder zurückgeführt werden. Die Anforderung ist hoch und führt eigentlich unweigerlich zu einem landwirtschaftlichen Betrieb der sowohl Pflanzenbau als auch Tierhaltung beinhaltet.
Vereinfacht geht es darum, dass mit dem Erntegut abgetragene Nährstoffe wieder in den Boden zurückgeführt werden: Bei Tierhaltung der mit dem Futter entstehende Mist, im Gemüsebau die Pflanzenreste in Form von Kompost. Konsequenterweise müsste auch Klärschlamm, also menschliche Fäkalien, zurückgeführt werden. Dies ist jedoch aufgrund der hohen medikamentösen und hormonellen Belastung derzeit nicht möglich.
Nicht nur Tiere und Menschen stellen über ihren Stoffwechsel wertvolle Nährstoffe her, auch Pflanzen können einen großen Beitrag leisten. Hier sei vor allem die Familie der Leguminosen genannt, die gerade im ökologischen Landbau eine essentielle Rolle spielt:
Leguminosen sind Pflanzen, welche atmosphärischen Stickstoff im Boden binden und pflanzenverfügbar machen können. Die Pflanzen gehen eine Symbiose mit Bodenbakterien (Rhizobien) ein und fixieren bis zu 100kg Stickstoff / Monat im Boden. Nutzt man dieses Potenzial indem man Leguminosen in eine Fruchtfolge integriert, können Pflanzen, welche nach der Leguminose als Vorkultur auf dem Acker angebaut werden, von dem im Boden gebundenen Stickstoff Gebrauch machen.
Leguminosen sind ebenfalls ein beliebtes, eiweißhaltiges Futtermittel für Tiere, deren Mist dann ebenfalls wieder als Düngung in den Boden wandert.
Da viele Betriebe Zukaufdünger verwenden und die Futtermittel durch Importware aus Lateinamerika auf die Betriebe wandern, funktioniert die Kreislaufwirtschaft heute zum großen Teil nicht. Die Nährstoffe werden in Brasilien entzogen und sind in Deutschland zuviel vorhanden: Hier entstehen dadurch große Probleme durch Nitratüberschüsse. Konsequenterweise müssten unsere Gülletanks zurück nach Lateinamerika gebracht werden, um dort Felder zu düngen.
Flächengebundene Tierhaltung
Im Sinne der Kreislaufwirtschaft bedeutet flächengebundene Tierhaltung, dass der Tierbestand eines Betriebes an die zur Verfügung stehende Fläche angepasst wird: Dabei muss sowohl der Platzbedarf für Futterpflanzen berücksichtigt werden, als auch die Aufnahmekapazität der Flächen zur Ausbringung von Kot (Wirtschaftsdünger). Ein Wirtschaften in diesem Sinne würde Probleme wie den Import von betriebsfernen Futter- und Düngemitteln verringern und reine „Tierfabriken“ von der Bildfläche verbannen.
Ursachenbezogenes Wirtschaften
Ursachenbezogenes Wirtschaften lässt sich an einem Beispiel aus dem Pflanzenschutz gut darstellen: In Deutschland haben alle Kartoffelbauern ab der zweiten Jahreshälfte mit dem Pilz Phytophtora infestans zu tun. Er führt zur Kraut- und Knollenfäule an Kartoffeln: Das Laub wird braun und stirbt ab und die Kartoffel stellt ihre Knollenproduktion ein. Je nachdem, wie stark der Pilz ist, dringt er ebenfalls in die Knolle ein und kann bei der Lagerung zu massiven Ausfällen des Ernteguts beitragen.
Mit Kupfer kann gegen den Pilz gespritzt werden, was auch nach EU-Ökoverordnung zulässig, jedoch auf 3kg/ha in drei Jahren reglementiert ist. Hoch umstritten ist diese Bekämpfung, da es sich bei Kupfer um ein Schwermetall handelt, das sich im Boden anreichert.
Beim ursachenbezogenen Wirtschaften geht es darum, auf Krankheiten und Schädlinge nicht ausschließlich zu reagieren, sondern vorbeugende Maßnahmen zu treffen. So soll im Idealfall eine Ertragsverringerung verhindert werden, ohne Kupfer ausbringen zu müssen. Maßnahmen sind z.B. eine richtige Sortenwahl, frühzeitiges Vorkeimen der Kartoffeln, um schon bei der Pflanzung im Frühjahr einen Wachstumsvorsprung zu gewährleisten oder eine ausgewogene Fruchtfolge, um dem Pilz über die Jahre die Nährgrundlage zu entziehen.
Prozessqualität
Im Anbau und der Vermarktung von Gemüse kann man zwischen Produktqualität und Prozessqualität unterscheiden. Produktqualität sagt in etwa: „Mein Salatkopf hat im Durschnitt einen Durchmesser von 20 cm, ist grasgrün und beinhaltet diese und jene Vitamine“. Sie beschreibt also das Ergebnis allein. Bei der Prozessqualität jedoch, geht es auch darum, wie das Gemüse produziert wurde: Woher der Samen des Salates kommt, wie dieser in die Erde kam, wie die Pflanze aufwachsen konnte, geerntet, gewaschen und verpackt wurde und schließlich auf dem Teller landete. Mit allen diesen Prozessen beschäftigt sich der ökologische Landbau und legt Richtlinien fest. Die Richtlinien finden sich dann z.B. in der EU-Ökoverordnung wieder, welche EU-weit den Anbau und die Vermarktung von ökologischen Lebensmitteln regelt. Die Verbandsbiosiegeln wie Bioland, demeter, Naturland, Ökoring … legen zusätzliche Kriterien in einzelnen Ländern fest und kontrollieren diese. Einmal im Jahr werden alle ökologisch wirtschaftenden Betriebe, Bioläden und Verarbeiter einer Kontrolle unterzogen. Neben dem Besuch der Flächen und Entnahmen von Boden- und Pflanzenproben, wird auch die Buchhaltung einer Plausibilitätsprüfung unterzogen: Wareneingänge werden kontrolliert und mit Warenausgängen und Erntemengen verglichen, Lieferscheine aller zugekauften Betriebsmittel müssen aufgehoben und Zertifikate der Anbieter vorgelegt werden. Zusätzlich werden 10% der Betriebe jährlich unangekündigt kontrolliert. Im bauerngarten dauert eine Kontrolle ungefähr vier Stunden. In größeren Betrieben, welche oft viele Betriebszweige aufweisen, sind ein bis zwei Wochen Prüfung keine Seltenheit.
Linksammlung und weiterführende Informationen:
- Setzt sich für einen Agrarsturkturwandel zugunsten kleinbäuerlicher Betriebe ein: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL)
- Die Unabhängige Bauernstimme ist das Sprachrohr der AbL e.V. Sie informiert monatlich rund um aktuelle Themen der Agrarpolitik und Landwirtschaft.
Sachbücher rund um die Themen Nachhaltigkeit, Landwirtschaft, Agrarpolitik sind u.a. in folgenden Verlagen erhältlich:
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